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Bin drüber weg oder ein teures Laufshirt

 

Chamonix 29.08.2014

 

Fail is not an option ! zitierte mein Freund Oliver mich miteinem Lachen, als ich nachmittags vor dem Start des UTMB in Chamonix auf dem Platz stand.

Da stand ich nun mit 2.300 Ultraläufern aus der ganzen Welt.Respekt hatte ich vor dem Brecher, der da in seinem immer weisen Kostüm vor mir lag, Angst? Nein! Respekt? Ja!

Wird schon klappen, antwortete ich, nachdem er seinen Satz mit „but when you fail, you learn a lot,“ beendete.

Ich war nervös an diesem Nachmittag. Würde das Wetter mitspielen? Wie würde ich die Umstellung nach dem Urlaub verkraften?

Die Menge zählt herunter, die Stimmung ist gigantisch.  Die Hymne ertönt und seit fünf Minuten hat der Himmel seine Schleusen weit geöffnet. Ein Schauer mit 5 mm Niederschlag war vorhergesagt. Ein Schauer sieht bei mir anders aus. Irgendwie bin ich heute garnicht ich selbst. Ich sollte angespornt von der Menge sein, die uns zujubelt,doch ich bin genervt. Nicht mein Tag, denke ich. Gestern und vorgestern aber auch nicht. Abgefangen hat alles am Mittwoch beim Packen. Meine Laufsachen zusammensuchen ist eigentlich kein großes Ding. Für gewöhnlich in einer Stunde erledigt. An diesem Mittwoch war ich so unsicher wie vor meinem ersten Marathon…nee noch schlimmer!! Was stopfe ich ins Dropbag, was in den Rucksack???  Ist die Regenjacke dicht? Wie sieht es mit dem Klimawechsel aus? Hoffentlich passt das Wetter! Was esse ich vorher? Gestern Abend  ist uns Timothy Olsen über den Weg gelaufen…. Uuii hier sind die Großen, schießt es mir durch den Kopf. Alles in Allem…viel Kopfzerbrechen. In der Regel verbrate ich weniger Zeit mir solche Gedanken zu machen, ich laufe einfach.

Endlich kann ich laufen, es gießt noch immer. Meine Regenjacke scheint dicht zu sein. Ich komme nach Les Houches, ich finde einfach keinen Rhythmus. Es geht nach oben, der Regen wird stärker. Von wegen Schauer, ich habe einen Hals, der sich gewaschen hat. Im wahrsten Sinne des Wortes, die Regenjacke ist so dicht wie ein Kaffeefilter.

 

But when you fail….

 

Der Berg hängt im Nebel, ich entschließe mich, wie einige andere, die Regenhose und ein Paar Ärmlinge anzuziehen. Die Zeit habe ich irgendwie gar nicht im Blick. Durch den Nebel geht es bergab. Die Wege sind einfach. OK, sind erst 15 km, noch 153 km vor mir. Das wird schon werden, denke ich. Wenn doch nur dieser Regen aufhören würde. Es wird dunkel und das Wasser läuft durch die Jacke wie durch ein Sieb. Wie konnte mir das passieren? Herrje, wie ein blutiger Anfänger. Ich kann mich nicht leiden und der Lauf wird  mit jedem Schritt mehr zu einem Feind. Ein Schritt, gefolgt von einem Rutsch talwärts. Das linke Bein nach hinten eingeknickt, versuche ich meinen Sturz abzufangen. Ein stechender Schmerz in meinem linken Knie und Sekundenbruchtele später ein Wadenkrampf im rechten Bein. Der Feind hatte mich am Boden. Zwei Japaner hinter mir erkundigten sich über meinen Sturz. Alles ok.. nur ein Krampf.. und jetzt schaut‘s zua, dass ihr weiter  kommt! Ich sitze gute 7-8 Minuten im Dreck bis ich den Krampf draußen habe. Mein erster Gedanke: Das war’s, verfliegt, als ich beim Anlaufen keinen richtigen Schmerz mehr fühle.

 

But when you fail….

 

Kilometer 22, VP, eine Cola, ein wenig Käse, das war’s und raus in die Nacht. Ein Mann  am VP sagt noch zu mir dix minutes encore. Was…..!! Nur 10 Minuten vor der Cut Off Zeit,ich wollte schon vor einer halben Stunde hierdurch sein. Heute klappt es einfach nicht. Logisch, umziehen bissel was am Start verplempert und ordentlichauf’s Brett gelegt. Da fallen die Minuten wie Dominosteine.

Es geht leicht bergan, bei Kilometer 25 habe ich das erste Mal das Gefühl, ins Rennen gefunden zu haben. Die Wege sind noch immer verhältnismäßig einfach. OK, sie sind matschig aber nichts gegen den WiBoLT letztes Jahr. Ich ziehe zum wiederholten Male an meinem Mundstück, doch mir bleibt der Schluck verwehrt. Verdammt…was ist das denn schon wieder? Ich kann machen was ich will, alles geht schief.  Trinkbeutel gerade gerückt und weiter. Ich überhole einen Läufer, der ohne Stöcke unterwegs ist, er fällt auf den steilen Matschpassagen immer nach vorne weil er wegrutscht. Arme Sau, denke ich. Mir fällt auf, dass sich gar nicht mehr soviele Läufer um mich herum  tummeln. Naja, meine Zeit ist bis jetzt auch ziemlich grenzwertig.  

 

But when you fail….

 

Mich erreicht die Stimme des Ansagers an VP 3, LesContamines. Jau, jetzt ne Cola kurz durchschnaufen und weiter. Bei meinem ersten Schluck, kommt ein Helfer zu mir und faselt etwas auf Französisch. Hallo,könnte hier vielleicht jemand mit mir englisch sprechen! Der Franzose hat ein kleines, ich möchte fast sagen ein klitzekleines Nagelscherchen in seiner Hand!! Was will er mir sagen?? Der Typ will mir doch glatt einen Voucher fürdie Cola aus der Startnummer schneiden. Wo gibt es denn sowas! Von rechts nährt sich mir eine Frau, die, wie mir scheint, der angelsächsischen Sprache mächtigzu sein.  „Sorry, you`re too late, you dropped out oft the race!“ Ich habe mich verhört, ein Übersetzungsfehler, Übermüdung, Druck auf den Ohren, what ever. You joking me! Just in diesem Moment hat der Franzose mit seinen flinken Fingern und der kleinen Schere ganze Arbeit geleistet und den Barcode aus der Nummer geschnitten und sich zu dem Anhänger an meinem Rucksack vorgearbeitet. Der macht Ernst. Kein Scheiß… ich bin raus!!! Raus!! Raus!! Ein Traum zu Ende. Ein Gedanke, der seit über einem Jahr zu einem Traum gereift ist. Fallobst!!

Ich rufe meine Frau Iris an, die zu Hause noch am Computerdie Sache verfolgt hat. Ich bin gebügelt. Ja, ich habe Zeit verschwendet, zuviel Zeit verschwendet. Aber so viel?? Bis zu diesem Zeitpunkt sind knapp 600 Läufer aus dem Rennen ausgeschieden. Unglaublich! Der 2. DNF in 10 Jahren, das ist nicht unbedingt tragisch aber warum genau hier. Ich war zehn Minuten über der Zeit. Klar, vorher fast dreimal 10 Minuten verschenkt. Logisch, da ist die Zeit auf der Strecke geblieben.  

 

But when you fail….

 

Der Bus nach Chamonix fährt alle 30 Minuten. Meine Hand greift zum Telefon. Nach drei Freizeichen geht Oliver ran. Bist du noch wach? Klaro! Ich bin raus! Mach ne Flasche Rotwein auf, ich bin in einer Stunde im Hotel. Die nächsten 40 Minuten waren in meinem Läuferleben schon ziemlich hart.Wenn ich auf die letzten 10 Jahre mit Wettkämpfen schaue, kann ich mich mit zwei gescheiterten Läufen nicht wirklich beschweren.

Wir haben in dieser Nacht noch lange analysiert, diskutiert und bei einer Flasche ist es nicht geblieben. Was am Ende bleibt ist die Erkenntnis, dass viele Dinge in der Summe zu dem,ich nenne es mal, freundlichen Rausschmiss geführt haben. Jedes Ereignis alleine, kein Problem. Alle zusammen, DNF. Undichte Regenjacke, darf nicht passieren! Umziehen auf den ersten 50 km, so einen Quatsch mache ich sonst auch nicht. Am Start weit hinten stehen, die Zeit ist weg und kommt nicht mehr zurück! Die Aufregung und der extreme Klimawechsel von 30C geht gar nicht. Ich denke ich habe mir an diesem Freitagnachmittag den Berg zum Feind gemacht. Wenn du einen Feind nicht besiegen kannst, dann verbünde dich mit ihm.  

 

But when you fail, you learn al lot!!!

 

Ich habe jetzt ein Funktionsshirt in Höhe der Startgebühren, und in meiner gelb- blauen Kombination sehe ich ein wenigaus wie Olsen, nur viel..viel.. langsamer :-)

Ich habe daraus gelernt, ich werde für das nächste Jahr ein Ticket ziehen und hoffen dass Fortuna mir hold ist und ich einen Platz für das nächste Jahr ergattern kann. Jetzt ist mein Blick nach vorne gerichtet auf den nächsten 100 Miler in zwei Wochen und ich habe mir eines vorgenommen. Nicht so viel nachdenken, einfach das machen was ich kann, laufen. Nix Theorie, nur machen.  

 

PS: Was haben T. Olsen H. Koerner, A. Kupicka und Fraggle gemeinsam?……..Richtig!

 

Fraggle